Ach, was für ein paar Wochen waren das! Whiskymesse, tolle Whiskys für den Blog und sogar ein Armagnac... Da kann man doch am Sonntag endlich mal durchschnaufen und etwas leichtes trinken. 64,8% Alkoholgehalt klingen für mich genau richtig. Aber was ist das? Single Grain! Puh, jetzt wird es spannend.
Grain Whisky - Reiner Blend-Füllstoff?
In den vergangenen zwei Wochen gab es ganz schön viel Inhalt auf A Dr(e)am of Sea. Zumindest kam es mir so vor. Endlich wieder WhiskyQuiz, ein frischer Hazelburn und sogar, ich sagte es ja schon in der Einleitung, ein Armagnac. Der wird auf der Seite wahrscheinlich untergehen, da er noch in kaum einer Kategorie zu finden ist. Da muss ich mir wohl was überlegen.
Jetzt also auch das noch: Ein Single Grain Whisky. Ich habe bisher nur wenige Single Grains besprochen, aber ab Juni wird es sich etwas ändern. Zumindest habe ich noch zwei Samples zu spannenden
Grains, die sind aber momentan gut versteckt in einer Umzugskiste. Als Vorwarnung: Ende Mai wird es für eine Zeit still werden hier.
So richtig warm werde ich mit Grains nicht, denn die starke Getreidenote ist nicht nach meinem Geschmack. Übrigens hat es deswegen auch BenRiach schwer bei mir, die haben ja auch meistens viel
Getreide am Gaumen. Aber man soll sich ja nicht verschließen und auch Sachen, welche man vermeintlich nicht so gerne mag, immer mal wieder probieren. So versuche ich es nochmal mit einem Grain,
bei dem ich mir denke, dass er mehr als der übliche Blendfüller ist. Immerhin abgefüllt von Wemyss (deren Abfüllungen ich sehr mag!) und mit dem schicken Namen "Princess Torte" versehen.
Schwedische Möbelhäuser lassen grüßen.
Wovor ich etwas Angst habe? Dieser Grain kommt mit gigantischen 64,8% und wäre selbst für einen Malt Whisky noch relativ jung: 9 Jahre Hogshead stehen zu Buche.
Bevor es losgeht mache ich noch einen kurzen Ausflug in die Brennereigeschichte, die finde ich nämlich sehr charmant!
"North British", oder "wie man seinen Feind lieben lernt"
North British wurde 1885 in Edinburgh gegründet. Eigentlich sollte die Brennerei das quasi-Monopol der Distillers Company Limited aufbrachen. DLC beherrschte damals den Grain- und damit auch den Blendmarkt durch den Besitz der sechs größten Grainbrennereien (darunter Cambus und Carsebridge). Bereits 1890 lag die Produktion bei 13,6 Millionen Litern Alkohol im Jahr, aktuell sind es sogar unglaubliche 73 Millionen Liter. Wenn man mal mit einer Maltbrennerei vergleicht: Glenfiddich liegt bei ungefähr 10 Millionen Litern, da kommt also eine Menge Stoff raus.
Der charmante, oder eher leicht ironische Teil, ereignete sich 1997: Durch die Zusammenführung des Inhabers von North British (International Distillers & Vintners) und United Distillers (der Nachfolgefirma von DLC) wurde North British ein Teil des Konzerns, dessen Monopol die Brennerei einst brechen sollte. Ein Hoch auf den Kapitalismus!
Als Randnotiz: North British brennt seinen Grain auf 94,5% Alkoholvolumen und füllt dann mit 68,6% ab. Daher wohl der hohe Alkoholgehalt nach 9 Jahren. Ich bin gespannt, ob hier mehr als Raketentreibstoff in der Flasche ist!
North British 2007 / 2017 "Princess Torte" - Verkostungsnotizen
Über den Whisky: Über den Whisky wurde ja eigentlich schon alles gesagt. Es handelt sich um einen Single Grain von 2007, welcher nach 9 Jahren in einem Hogshead mit 64,8% abgefüllt wurde. Wemyss färbt oder kühlfiltert keinen Whisky. Danke dafür! :)
Aroma: Man muss es zugeben: Ohne Wasser kommt hier ein gehöriger Schwall Alkohol aus dem Glas. Dabei erinnert mich die Note an einen Wodka. Nicht der Günstigste, aber man merkt schon, dass hier extrem hoch gebrannt wurde. Gut, das wäre aus dem Weg. Dazu kommt aber auch eine spannende Süße, leicht würzig im Hintergrund. Nicht unbedingt Honig, keine reine Vanille. Irgendwo im Mittelfeld. Dazu definitiv Marzipan. Mich erinnert es um genau zu sein an Marzipan-Rohmasse. Gar nicht schlecht!
Geschmack: Bereits unverdünnt gibt es eine herrliche Süße, von Vanille und Marzipan. Der Alkohol nimmt mir dann aber die Möglichkeit genauer vorzugehen. Also, etwas Wasser
rein! Ich habe einen guten Schluck Wasser reingemacht, vielleicht so auf 50-55% wurde der Whisky verdünnt. Die Süße kommt schöner durch, ausgewogener irgendwie. Leicht cremig wird es auf der
Zunge mit einem schönen Marzipanaroma. Hinzu gesellen sich Orange und etwas Zitrone, eine gewisse "Spritzigkeit" ist also noch immer da. Es fehlt die Malzigkeit von Single Malt, dafür geht es
etwas "dumpfer" in die Getreiderichtung. Zum Abgang hin wird es würziger und ich meine einen Anflug Lakritz zu verspüren.
Abgang: Spinne ich? Ganz klar Lakritze und sogar eher kräftig. Kurze Eichenwürze, dann schon weg. Der Alkohol kommt stark durch.
Mit Wasser: Ja, Lakritz. Da bin ich mir ganz sicher. Für einen Norddeutschen keine schlechte Sache und ein ziemlicher Kontrast zur vorherigen Süße. Der Alkohol prickelt noch immer ein wenig, aber der Abgang ist nun erstaunlich lang. Wasser tut diesem Whisky insgesamt gut!
Abschließende Gedanken: Grain Whisky und ich, wir mögen uns nicht immer. Auch alte Grains, die bei vielen hoch im Kurs stehen, sind meistens nicht wirklich nach meinem Geschmack. Mit etwas Sorge bin ich also an diesen jungen Grain gegangen. Was soll ich sagen: Bisher einer der besten Grains, die ich getrunken habe! Ich finde die geschmackliche Entwicklung wirklich spannend. Wo kann man schon von Süße, Marzipan zu Lakritz kommen? Mir hat die Verkostung jedenfalls erstaunlich viel Spaß gebracht. Einen Malt wird er so schnell allerdings auch nicht aus meinem Regal verdrängen. Preis & Leistung stimmen hier aber!
Kategorie: Scotch Single Grain Whisky
Destille: North British
Region: Lowlands
Preis: 51-100€ (ca. 55€)
64,8%
Kältefiltration: Nein
mit Farbstoff: Nein
Lagerung: Hogshead
Mehr Informationen:
North British auf A Dr(e)am of Sea
Abschließende Bewertung: 6/7
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