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Whisky Review #115: Zu Besuch bei Glenglassaugh

Glenglassaugh ist für mich irgendwie eine seltsame Brennerei, denn ich habe keine Ahnung, wie ich sie einordnen soll. Zum einen gibt es die neuen, tendenziell jungen NAS Abfüllungen, welche mir zum Teil gefallen, mich aber insgesamt bisher noch selten vom Hocker gehauen haben. Dann gibt es aber auch die alten, mittlerweile sündhaft teuren Abfüllungen aus der Zeit vor der Schließung, die (bisher) über jeden Zweifel erhaben waren. Das "Glasauge" hat auf jeden Fall eine treue Anhängerschaft, so viel ist sicher. 

Ich wollte mir also vor Ort anschauen, wie die Brennerei aussieht, wie der Neuaufbau abgelaufen ist und was man in Zukunft erwarten kann. Zum Glück sollte sich die "Behind the Scenes" Tour vor allem mit der Wiedereröffnung beschäftigen. Ich war also gespannt...

Speyside 2019

Im März 2019 war ich wiedereinmal in der Speyside und habe mir eine ganze Menge Brennereien angeschaut. In den kommenden Wochen werde ich jede besuchte Brennerei ausführlich besprechen mit einem passenden Whisky, Videos und jeder Menge Bilder. Hier findet Ihr eine Übersicht, welche laufend aktualisiert wird.

 

Das reicht euch nicht? Hier gibt es Destilleriebesuche aus vergangenen Jahren!

Glenglassaugh - Zwischen rauer Küste und sanfter Speyside

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Die Brennerei Glenglassaugh liegt nur ein paar Autominuten westlich von Portsoy und direkt an der Nordseeküste Schottlands. Diese Ecke des Landes ist mir vor diesem Urlaub noch nie wirklich aufgefallen, viel zu sehr war ich mit der Whiskyregion Speyside und den Highlands beschäftigt.

Glenglassaugh selbst zählt sich nun eben auch zu den Hochland-Whiskys und nicht zu den milderen Speysidern, obwohl die Mündung des Flusses gar nicht so weit weg ist. Allerdings, wer halt nicht in unmittelbarer Nähe zum weltbekannten Whiskyfluss liegt, der verzichtet auch auf diese Bezeichnung. GlenDronach, was etwas weiter südlich liegt, sieht sich ja auch als Highland Brennerei an.

Im Vorfeld war mir allerdings nicht klar, dass Glenglassaugh direkt am Meer liegt. Der Weg zum Strand führt sogar über das Brennereigelände und innerhalb einer Minute hat man Sand unter den Füßen. Kein Wunder, dass ich beim Tasting vor Ort zum allerersten Mal auch salzige Noten bei Glenglassaugh geschmeckt habe. Ein Hoch auf die Macht der Einbildung!

Als Tour habe ich die "Behind the Scenes" gewählt und bei unserer Ankunft waren wir wieder einmal sehr erfreut, dass wir eine Tour nur für uns hatten. Anfang März zu reisen hat eben seine Vorteile!


Behind the Scenes

Mit dem Blick hinter die Kulissen haben wir die teuerste Tour im Angebot ausgewählt. Wer keine 35 Pfund ausgeben möchte, dem stehen mit der "Revival" (5 Pfund), "Tasting" (15 Pfund) und der "Premier" Tour (20 Pfund) auch noch verschiedene andere Angebote zur Auswahl. An der Spitzentour haben mich vor allem drei Dinge gereizt: Erstens wurde ein exklusiver Blick in Bereiche versprochen, die sonst nicht zugänglich sind. Zweiten soll die "Wiederauferstehung" von Glenglassaugh thematisiert werden und drittens gibt man sich beim Tasting etwas mysteriös und spricht einfach von einer "Auswahl an Award winning drams".  Sollte es hier also auch ein altes Glasauge geben?

Unsere Tour fand mittags statt, sodass wir noch Portsoy besuchen konnten. Auf die Empfehlung unserer Gastgeberin hin hat meine Freundin bei Sturm und 5°C sogar das lokale Eis probiert. Mir war das irgendwie deutlich zu kalt, sie fand es aber gut (vor allem die Karamellsoße!). Nach einem kleinen Spaziergang am Hafen und durch die "Stadt" ging es also weiter zur Brennerei. Diese ist wirklich gut zu erreichen und liegt direkt am Wasser. 

Im Shop wurden wir freundlich von unserer Guide empfangen, welche noch etwas durch den Wind war, weil sie am Wochenende (unsere Tour war am Montag) erst aus Kopenhagen wiedergekommen war. Gut zu wissen - sie gibt also Masterclasses für die Brennerei! Außerdem hatte sie den Termin extra für uns eingerichtet, die Brennerei war eigentlich noch für Touristen geschlossen. Genial!

Nach einigem "Wo ist eigentlich mein Schlüssel - sorry guys!" ging es also los. Im Shop wurde ein kurzer Schwenk durch die Brennereigeschichte erzählt, ein Fokus lag dabei vor allem auf der Zeit seit Wiedereröffnung und Billy Walker. Mittlerweile gehört Glenglassaugh, wie auch GlenDronach und BenRiach, zu Brown Forman, die man vor allem für Jack Daniel's kennt. 

Wir kämpften uns durch den Sturm weiter in Richtung Strand, vorbei an einigen Lagerhäusern. Zwischen dem Stillhouse zur linken und den alten Mälzböden zur rechten ging es vor allem um die Produktion. Spannend für mich war vor allem, dass sowohl eine Torfprobe von Islay, wie auch aus den Highlands zum Anfassen da war. Im Geruch merkt man schon in der getrockneten Form einen leichten Unterschied. Bei Glenglassaugh wird natürlich nur der etwas weniger maritim riechende Highland-Peat verwendet!

Die Produktion bietet eigentlich nicht viel neues für erfahrene Brennereibesucher, aber es gab alles zu sehen: Mash Tuns, Washbacks und auch die Stills. Hier haben wir uns vor allem gefreut, dass wir direkt am Spirit Safe einen guten Schluck New Make probieren konnten: Einfach auf die Hand und ab in den Mund! Wer braucht schon Gläser? Die Mashtun ist übrigens noch nie ersetzt worden, es handelt sich noch um die allererste. Lediglich der Deckel musste neu gemacht werden: Diebe hatten versuch die kupferne Abdeckung zu entwenden und in Teilen zu verkaufen. Gedanken, wie man das riesige Teil durch die Tür kriegen sollte, hatten sie sich allerdings nicht gemacht!

Aus dem Raum mit den Washbacks kann man übrigens Richtung Meer schauen und sieht dort ein kleines Haus, welches an der Küste liegt. Noch als Billy Walker Glenglassaugh übernommen hatte arbeitete dort eine alte Dame. Ihre Aufgabe? Alle Flaschen abfüllen und die Etiketten kleben! Mittlerweile wird dies aber an anderer Stelle getan.

Nach den Stills ging es in Richtung Lagerhäuser, wobei wir auch einen der Arbeiter getroffen haben. Nach einem netten Schnack ging es in ein Dunnage Warehouse, wobei wir uns in aller Ruhe umschauen konnten. Nach dem Warehouse folgte dann der Weg in Richtung Shop und Tasting. Mir dämmerte nun, dass der "Tour-Teil" bald vorbei sein würde, also musste ich meine Neugier dann doch per Frage befriedigen: Wie war das denn nun mit der Schließung? Die Antwort, muss ich zugeben, war doch etwas ernüchternd: Die Brennerei war im "mothballed" Zustand, sprich: Alle Gerätschaften waren vorhanden und wurden auch in (großen) Abständen gewartet. Die Wiederaufnahme der Produktion nahm daher nur ein halbes Jahr in Anspruch, denn es musste eigentlich nur einmal alles in Schuss gebracht werden und los ging es. Nun, irgendwie hatte ich mir nach der Homepage-Ankündigung hier mehr versprochen!

Das Tasting - Junge Augen unter sich

Wir kamen also wieder im Visitor Center an und wurden in einem separaten Raum geführt. An einem hohen Tisch mit bequemen Hockern fand das Tasting statt. Unser Guide zeigte sich dabei etwas "aufgetauter", komisch, ich trank doch als einziger Alkohol? So kam es aber, dass wir eine gute Stunde miteinander gequatscht haben und dabei auch persönliche Dinge zur Sprache kamen - Hotelzimmer in Kopenhagen, Flughäfen und Lieblingsziele für den Urlaub. So musste sich auch meine bessere Hälfte nicht so langweilen. Eine Empfehlung wurde uns noch ausgesprochen: Die Tour bei Knockdhu / AnCnoc sei sehr spannend und schön. Zum Glück hatten wir die ja für den Mittwoch vorgebucht und Ihr könnt kommende Woche darüber lesen!

Beim Tasting wurde meine Erwartung leider enttäuscht einen alten Glenglassaugh probieren zu können. Das Line Up sah so aus:

 

  • Revival
  • Evolution
  • Octaves  (Batch 2, unpeated)
  • Distillery Only Cask: PX Sherry, 27.01.2009 / 04.03.2019 58,75%
  • Torfa
  • (Wood Finish Series: PX Sherry)

Insgesamt kann man bei diesem Line Up nicht meckern. Besonders nett fand ich, dass wir zuvor über rauchige Whiskys gesprochen hatten und mir deswegen der Wood Finish PX zusätzlich angeboten wurde. Ich habe natürlich nicht nein gesagt und konnte natürlich auch den Torfa probieren. Das Distillery Only Fass konnte mich natürlich am meisten überzeugen, immerhin handelt es sich um einen neuen 10 Jährigen in Fassstärke! Eine 500ml Flasche (40 Pfund) fand so auch den Weg in meinen Koffer. Wann es übrigens einen 10 Jahre alten Standard geben wird, konnte (wollte?) man mir nicht sagen. Das hängt von Rachel Barrie ab.

 

Fazit

Ich habe die Tour bei Glenglassaugh sehr genossen, denn sie war familiär, freundlich und hat einfach Spaß gemacht. So viel sogar, dass ich über einige Enttäuschungen hinwegsehen kann: Welches die Bereich sind, die sonst nicht zugänglich sind war mir nicht so klar. Wir haben genau das Gleiche gesehen, wie auch in anderen Brennereien: Produktion und Lagerhäuser. Wirklich enttäuscht war ich über den Teil mit der Wiedereröffnung. Hier hatte ich mir spannendere Details erwartet! Und beim Tasting war es halt mein Pech, dass ich einige der Abfüllungen schon kannte. Das liest sich jetzt vielleicht negativ, ist aber eigentlich nicht so gemeint! Die Freundlichkeit, die tolle Lage und auch das tolle Distillery Only Fass, zu einem recht fairen Preis, all das wiegt mehr auf, als das Negative abziehen vermag. Ich empfehle jedem Glenglassaugh zu besuchen - bei dem Tourangebot ist ja auch für jeden was dabei!

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