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Vor Ort: Aberlour A'Bunadh Vertical Tasting mit Eyck Thormann & Chris Rickert

Es gibt Tastings und es gibt besondere Tastings. Das Aberlour A'bunadh Vertical Tasting vom letzten Wochenende zählt ohne Zweifel zur zweiten Kategorie. Chris Rickert lud in seinen Raum für flüssige Fortbildung ein um uns sieben verschiedene Batches des legendären Aberlour A'bunadh vorzustellen. Dabei war er aber nicht allein, sondern unterstützte vielmehr Pernod Ricards Brand Ambassador Eyck Thormann, der uns durch die Abfüllungen leitete.

7 mal "das Original"

Disclaimer: Mein Dank für die Einladung gilt Chris Rickert. Einfluss auf redaktionelle Inhalte wurde nicht genommen.

Bei Whiskytastings ist es normal, dass man verschiedene Abfüllungen aus verschiedenen Brennereien präsentiert bekommt. Ein "vertical Tasting", welches nur eine Brennerei als Schwerpunkt hat, ist schon deutlich seltener zu finden. Auf einem Tasting bei dem nur eine Abfüllung verkostet wird, war ich ehrlich gesagt noch nie. Doch für alles gibt es ein erstes Mal und am vergangenen Samstag gab es bei Chris Rickert, der bestimmt noch die Nachwirkungen seiner Hanse Spirit verkraften musste, ein Tasting, bei dem nur A'bunadh verkostet wurde. 

Den Aberlour A'bunadh (ausgesprochen: "abunna" - das "dh" ist stumm!)  muss ich wahrscheinlich eigentlich gar nicht vorstellen, oder? Es handelt sich hierbei um die rein in Oloroso-Fässern gelagerte Fassstärke der Highland-Speyside - später dazu mehr - Brennerei Aberlour und so ziemlich jeder Whiskyfan wird von diesem Whisky gehört, oder ihn im Glas gehabt haben. Für uns gab es gleich 7 A'bunadhs, was gälisch "das Original" bedeutet, angefangen vom Batch 65 (abgefüllt 2019) zurückgehend bis Batch 10 aus dem Jahre 2003. Zwischendrin gab es einige Sprünge in den Jahren, daher hier eine kurze Übersicht der verkosteten Whiskys:

 

  • Batch 65 (2019) 59,5%
  • Batch 63 (2018) 61%
  • Batch 60 (2017) 60,3%
  • Batch 59 (2017) 60,9%
  • Batch 44 (2012) 59,7%
  • Batch 17 (2006) 60,2%
  • Batch 10 (2003) 59,8%

 

Von Bränden und Batches

Eyck Thormann, seines Zeichens Brand Ambassador Whiskies von Pernod Ricard (Pernod Ricard gehört Chivas Brothers und denen wiederum Aberlour), führte uns mit zunächst in die Geschichte der Brennerei ein. Gegründet wurde Aberlour 1879, wobei, wie in Schottland üblich, bereits zuvor schwarz gebrannt wurde. Im Laufe ihres Lebens ist Aberlour zweimal komplett abgebrannt und wurde neu aufgebaut, aber auch die aktuelle Brennerei ist eine Schönheit. Etwas kurios ist das Selbstverständnis in Bezug auf die Regionen, denn Aberlour wechselt häufiger die angegebene Region auf dem Etikett: Highlands, Speyside-Glenlivet, Highlands und bald wieder Speyside. Merkwürdig, denn die Brennerei hat ihren Standort nicht verändert. Vielleicht die Erdrotation ...

Kommen wir lieber zu den Whiskys: Batch 65 läutete den Abend ein, wir tranken uns rückwärts durch die Geschichte, und war ein ziemlich kräftiger Whisky. Ich hatte an diesem Tag noch keinen Alkohol getrunken und mein Körper trat bei unverdünnten 59,5% zunächst in den sensorischen Streik. Nach etwas Zeit (und Diskussion mit meinem Körper) fand ich aber helle Aromen, die, wie Eyck uns erzählte, typisch für die Speyside sind: Apfel, Birne aber auch Rosine und ein Hauch von Marzipan. Über den Verlauf des Abends zeigte dieser Dram eine starke Veränderung und nach zwei Stunden kam so viel Eiche aus dem Glas, dass ich auf einen rauchigen Whisky getippt hätte.

Batch 63 wurde in der Farbe etwas dunkler, war für mich aber klar das schwächste Batch des Abends. Der Alkohol war hier nicht besonders gut integriert und auch bei den späteren Nachverkostungen war mir dieser Whisky etwas zu streng und stechend. Chili, Pfeffer, und Maggiwürze bildeten hier die Hauptnoten.

Anschließend ging es mit Batch 60 weiter, erneut dunkler, und wieder deutlich mehr mein Geschmack: Ein trockener Whisky mit vielen Pflaumen, und Trockenfrüchten im Allgemeinen (Aprikose, Rosine, etwas Rumtopf). Ein wenig Ingwer und Alkoholschärfe sind auch hier dabei gewesen, etwas Wasser brachte aber auch eine schöne cremige Textur hervor. 

Das Batch 59 folgte und war historisch gesehen der direkte Vorgänger. Übrigens fällt auf, dass die Batches des A'bunadh auffällig seltener erscheinen (ihr seht eine komplette Übersicht in den Bildern!), der Druck auf die Fasslager ist auch hier deutlich spürbar. Zu meiner Überraschung lassen sich Batch 59 und 60 kaum vergleichen, denn die 59 ist "heller" mit Pfirsichringen, Obst und diesem Früchte-Dosen-Cocktail-Zeugs. Ein ganz anderer Whisky als sein Nachfolger.

Zeitreise

Anschließend folgte der zeitliche Sprung zu Batch 44 (abgefüllt 2012) und ich muss insgesamt feststellen, dass auch die Qualität eine andere ist. Die 44 wurde zu meinem zweitliebsten Whisky des Abends, denn er bot deutlich mehr Sherry-Aromen mit roten Früchten, Äpfeln und dezenten Holznoten. Im Vergleich zu den vorher verkosteten Whiskys war dieser Whisky runder und komplexer, er hatte einfach mehr Tiefe.

Getoppt wurde dieser Eindruck nur vom Batch 17 (abgefüllt 2006), das mich absolut umgehauen hat. Dieses Batch ist farblich nicht von einem Sherry zu unterscheiden (siehe Foto - Ihr könnt ja mal raten, was Sherry und was Whisky ist) und war eine Sherryabfüllung, die ihresgleichen sucht. Trocken- und Zitrusfrüchte wechselten sich ab, die Eiche spielte leicht dazu. Schokolade und Röstaromen folgten, dann angebrannter Karamell und ein paar Gartenkräuter. Mit einem Tropfen Wasser eröffnete sich auch noch eine seidige Textur im Mund. Ein ganz großer Dram.

Den Abend abschließen durfte das 10. Batch (abgefüllt 2003), was natürlich schon whisky-historisch ein Highlight ist. Auch hier merkte man, dass die ausgewählten Fässer eine andere Qualität hatten (älter? Ältere Fässer? Einfach mehr Auswahl?). Süße, Sherry, und gut eingebundene Eiche. Den Alkohol schmeckte ich nach sechs Fassstärken so oder so nicht mehr - so ehrlich muss man dann auch mal sein.

Fassen wir zusammen

Wenn Ihr nach meinen Favoriten fragt kann ich Euch eine recht klare Antwort geben: 17 - 44 - 10 - 60 und dann die anderen Batchs in ungeordneter Reihenfolge. Auffällig ist definitiv die Tendenz, dass die neueren Abfüllungen etwas an Intensität verlieren, wobei dies ganz deutlich meckern auf hohem Niveau ist. Für sich alleine betrachtet sind auch die aktuellen Batches tolle Whiskys mit einem fairen Preis, aber in der Retrospektive sind Veränderungen halt doch eindeutig zu erkennen. Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig. 

Der Abend hat mir jedenfalls sehr viel Spaß gemacht, denn so intensiv habe ich mich noch nie mit einer Abfüllung beschäftigt. Eyck war ein wundervoller Host, der uns mit Anekdoten, Wissen und ein paar Highlights nebenbei (es gab auch Redbreast New Make und einen Lustau Sherry) begeistern konnte. Im Zusammenspiel mit Chris bot sich so ein Tasting der Extraklasse. 

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