Heute wird es mal wieder Zeit den eigenen Horizont zu erweitern. Habt ihr auch so viel Angst wie ich? Gut! Denn heute heißt es: Grain Whisky!!
Einigen macht das vielleicht nichts aus, aber ich bin wirklich kein Freund von Grain Whiskys. Selbst richtig teure, richtig alte (40 Jahre und älter) konnten mich bisher nicht überzeugen. Um mich herum wird dann meist in pure Freude, Emotion und Schwärmerei ausgebrochen und ich denke "schmeckt irgendwie ziemlich sprittig." Ich kann es gar nicht so genau sagen, was es ist. Grain schmeckt für mich immer nach Alkohol. Dieser alkoholische Unterton, den man vom Wodka oder hier im Norden vom Korn kennt. Einfach fies und nicht zu übertünchen. Grain reift dazu anscheinend langsamer (oder die verwendeten Fässer haben eine mindere Qualität) und muss ein hohes Alter erreichen, um überhaupt etwas zu taugen. Meine Meinung, haut mich nicht.
Dennoch verkoste ich hier einen Grain. Wie sagt man auf englisch? "Please take it with a grain of salt", oder auf deutsch: behaltet meine Abneigung bei der Bewertung im Hinterkopf, es wird hier wieder höchst subjektiv.
Warum also "tue ich mir das an"? Nun ja, man muss den Feind ja kennen. Und ich möchte niemals nie sagen und meine Meinung ab und zu auch mal wieder auf die Probe stellen. Das tue ich aber nur, wenn ich Vertrauen in das Produkt habe und sich mir eine gute Gelegenheit bietet. Beides ist hier glücklicherweise der Fall. whic.de ist vor allem ein Onlineversand für Whisky (und neuerdings auch Rum), der vielleicht einigen ein Begriff ist. Dazu gibt es mittlerweile aber auch unabhängig abgefüllte Whiskys von whic, die ich schon verkosten konnte. Die gesamte "sujet"-Serie findet ihr hier in der Besprechung.
Diese Whiskys konnten mich nicht nur durch ihr gutes Preis-Leistung-Verhältnis, sondern auch durch ihre allgemeine Qualität überzeugen. Bisher hat whic also, für mich zumindest, eine absolut reine Weste und ich verkoste gerne die neuen Abfüllungen.
Dieses Mal geht es also an die "Whic Nymphs of Whisky Collection", die bisher zwei Abfüllungen beinhaltet, und beide sollen heute an dieser Stelle besprochen werden. Inspiration bezieht die Serie von den namens gebenden Nymphen, hilfreichen Naturgeistern, die wohl die schottischen Berge, Wälder und Flüsse bewohnen sollen. Das Design gefällt mir sehr gut, ihr könnt es ja auf den Fotos sehen. Die Serie soll in Zukunft noch weiter wachsen und wird immer nicht-rauchige Whiskys umfassen. Was sind also die ersten beiden Abfüllungen?
Zum einen geht es um einen Glenturret, der eine Barolo Nachreifung erfahren hat, zum anderen eben um einen Cambus aus dem Sherryfass. Über beide Whiskys schreibe ich weiter unten mehr.
Für mich war also sofort klar: Jetzt musst du dich erneut an Grain trauen. Die lange Reifung in einem Sherryfass wird die Sache schon erträglich machen. Gedacht, gesagt, bestellt, verkostet. Mein Eindruck? Findet ihr unten, fangen wir doch aber erst mit dem Glenturret an.
Glenturret 1994 / 2017 - 22 Jahre - Barolo Wine Cask Finish
Über den Whisky: Der hier vorgestelle Glenturret wurde im Mai 1994 destilliert und im Februar 2017 durch whic abgefüllt. Er erhielt ein Finish in Barolo Wine Casks. Schön: nicht kühl gefiltert, nicht gefärbt und selbst nach all den Jahren mit knackigen 55,5% Fassstärke abgefüllt.
Nase: Ok, meine Geruchsnerven spinnen. Ich habe eine eindeutige Assoziation: naturtrüber Apfelsaft. Bitte zum nächsten Blog wechseln! Nachdem ich diese Note etwas zur Seite gedrängt habe, kommt der Rotwein hervor. Leicht, nicht zu stark, nicht zu trocken. Die Alkoholstärke merke ich in der Nase kaum, ich habe vorher aber auch den Grain probiert.
Geschmack: Schmeckt etwas parfümiert. Türkische Süßigkeiten mit Rosenwasser und irgendwie etwas seifig. Definitiv einzigartig! Dann kommt eine leichte Note von weißem Pfeffer, nicht scharf, sondern dieser ganz bestimmte Geschmack. Der Wein ist dann auch da, etwas trockener werdend, ganz leicht prickelnd auf der Zunge, kommen schwere Rotweinnoten durch.
Finish: Ein Finish, wie ich es noch nicht erlebt habe! Definitiv eine Seifennote. Der Whisky hinterlässt wirklich einen Belag im Mund. Leichte Tannine, aber nicht nur trocken. Schon fast ölig. Allerdings auch nicht ewig lang, nach einiger Zeit verabschiedet sich der Glenturret dann auch wieder.
Abschließende Gedanken: Was für ein Erlebnis! Man könnte es als Achterbahnfahrt bezeichnen, aber dann eine mit Schrauben und Looping! Von Apfelsaft, über Rosenwasser, bis hin zu Rotweineinfluss und Seife ist hier irgendwie alles dabei. Ich bin mir auch nach der zweiten Auseinandersetzung mit diesem Malt nicht sicher, ob er mir wirklich gut gefällt. Hier muss wohl wirklich jeder selbst entscheiden. Etwas Besonderes ist er aber allemal, und definitiv ein spannendes Genusserlebnis.
Kategorie: Single Malt Scotch Whisky
Destille: Glenturret (Highlands)
Preis: 101-200 (129,90€)
55,5%
Kältefiltration: Nein
mit Farbstoff: Nein
Mehr Informationen:
Abschließende Bewertung: 5/7
Cambus 1991 / 2017 - 25 Jahre
Über den Whisky: Cambus war eine Grain-Brennerei in den Lowlands, die 1993 geschlossen wurde. Der hier abgefüllte Whisky ist also aus einem der letzten Produktionsjahre. Er hat die volle Lagerzeit in einem Sherryfass verbracht und wurde in Fassstärke mit immerhin noch 52,7% abgefüllt.
Nase: Leicht sherrygetragen, offen und süßlich einladend. Da will man sofort probieren! Kakao und Kaffee, dazu aber auch eine leichte Grain-Note (getreidig, leicht alkoholisch). Vanille und mehr Süße. Nach einiger Zeit eine leichte Kräuternote. Vielleicht Salbei?
Geschmack: Extrem mild, rund, voll und direkt zurückhaltende, nicht übertriebene Süße. Das Sherryfass kommt gut durch mit beerigen Aromen, dunklen Früchten. Den Grain-Ursprung schmeckt hingegen kaum bis gar nicht. Etwas Säure. Dann Kakao und Kaffee, richtig sahnig-cremig. Im zweiten Durchgang zeigen sich dann auch die Kräuter aus der Nase wieder, mich erinnert das an Salbei-Bonbons mit Honig. Man ist das lecker!
Finish: Hier zeigt sich nun auch die lange Lagerzeit. Bittere Kakao-Noten bleiben im Mund zurück, auf keinen Fall unangenehm, eher wie der Nachklang einer guten Bitterschokolade. Verbleibt dabei erstaunlich lange.
Abschließende Gedanken: Gut, ich gebe mich geschlagen. Dieser Grain gefällt mir. Sehr sogar. Und da es kein Malt ist, gefällt mir sogar das Preisschild. Was würde man schon für einen 25 Jahre alten Single Malt in Fassstärke bezahlen? Ich denke da lieber nicht drüber nach, aber auf keinen Fall unter 100€! Zurück zum Cambus: Mir fehlt (zum Glück!) diese alkoholische Wodka/Korn-Note von der ich eingangs gesprochen hatte. Stattdessen steht vor mir ein seidenweicher Sherrywhisky, der insgesamt extrem rund und mild daherkommt. Wasser braucht man hier auf keinen Fall. Ich will gleich den nächsten Schluck!
Kategorie: Single Grain Scotch Whisky
Destille: Cambus (Lowlands)
Preis: 151-100 (89,90€)
52,7%
Kältefiltration: Nein
mit Farbstoff: Nein
Mehr Informationen:
Abschließende Bewertung: 7/7
Zusammenfassung
Am Ende sollte ich natürlich ein kleines Fazit ziehen, wie ich die (bisherigen) Abfüllungen der "Whic Nymphs of Whisky Collection" einordne. Festzuhalten ist, dass hier zwei alte Whiskys zu einem guten Preis abgefüllt wurden. Der Glenturret ist nicht ganz meine Welt, dass konntet ihr ja oben in der Besprechung lesen, das soll aber auf keinen Fall heißen, dass es ein schlechter Whisky ist! Er ist halt mit Ecken und Kanten, wie es sich für einen Single Cask Whisky auch gehört, und nicht ganz mein Fall. Ausprobieren ist hier das Motto!
Und die Sache mit dem Grain? Als bekehrt will ich mich noch nicht bezeichnen, aber ... Wahnsinn, ist das ein Stoff. Echt. Wirklich. Versprochen.
Wie steht ihr zu Grainwhisky? Wollt ihr mich weiter bekehren?
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