Die schönsten Erlebnisse im Urlaub hat man ja immer, wenn man etwas nicht geplant hat. Nun gut, vielleicht nicht immer, aber häufig! Die Speyside Distillery hatte ich bei der Urlaubsplanung gar nicht auf dem Schirm. Selbst in Schottland angekommen hat es bis zum letzten Tag gedauert, dass ich überhaupt realisiert hatte, dass dieses Juwel direkt um die Ecke der Unterkunft liegt. Zum Glück gab es doch noch eine Führung, ein Tasting und die wirkliche Überraschung, dass dieser Whisky besser ist, als ich ihm vorher zugestanden hätte!
Die vergangenen Wochen habe ich sonntags eine Brennereitour besprochen. Solltet Ihr eine dieser Besprechungen verpasst haben, hier gibt es noch einmal einen Überblick:
Über Zufälle ...
Die Geschichte der Brennerei "Speyside" werde ich gleich zusammen mit der Führung darstellen, spannend genug ist sie auf jeden Fall. Vorher soll es aber um die Art und Weise gehen, wie ich überhaupt in der Brennerei gelandet bin.
Unseren Urlaub haben wir im kleinen Örtchen Newtonmore verbracht und von dort die südlichen Highlands und ein wenig von der Speyside erkundet. Ein paar Minuten von Newtonmore entfernt liegt die Weltstadt Kingussie, die eigentlich auch nur aus einer Hauptstraße besteht. Allerdings liegt versteckt und etwas außerhalb auch die Speyside Distillery. Noch einen Ort weiter liegt Aviemore, erbaut, um die Ski-Touristen unterzubringen, die die Cairngorms neuerdings heim-, eh besuchen! In Aviemore bin ich zufällig in einen Laden der Speyside Distillery gestolpert, direkt zwischen einem Aldi und einem Superdrug. "Seltsam", dachte ich mir. Angetan von der Geschichte und dem Aussehen der "Wildlife Series" habe ich direkt zwei kleine 200ml Flaschen mitgenommen, welche allerdings auch für diese Besprechung geschlossen bleiben.
Jetzt war ich allerdings auf die Spur gekommen. Die Brennerei muss doch in der Nähe sein! Zum Glück gibt es Google und meine Überraschung war doch wirklich groß. "Direkt um die Ecke!" Wie konnte ich das nur übersehen? Abends wollten wir eh nach Kingussie und uns die Ruthven Barracks anschauen, welche, nächster Zufall, an der gleichen Straße wie die Brennerei liegen. Es ging also gegen 21 Uhr noch einmal los, Natur und Brennerei auskundschaften. Die Barracken und das nahe liegende Vogelreservat sind übrigens wirklich einen kleinen Stop an der A9 wert! Die Speyside Distillery hingegen brach mir direkt das Herz: "Only by appointment". Mist.
Nachdem wir wieder in der Unterkunft waren versuchte ich also mein Glück und schrieb eine Mail an die angegebene Adresse. Erfolgsversprechend wirkte es nicht, denn es war Dienstag, der Mittwoch war verplant und am Freitag ging der Flug. Einzige Möglichkeit also: Der Donnerstag. Ihr könnt euch also vorstellen, wie überrascht und froh ich war, dass am Mittwoch eine Mail kam: "Klar, kein Problem! Wir machen am Donnerstag eine Tour für euch um 11 Uhr!".
SPEY - NAS und sonst?
Bevor es zur eigentlich Tour geht, erlaubt mir noch einen kleinen Umweg zu meinen Erwartungen und Vorkenntnissen.
Ich denke, dass viele Leser und Leserinnen noch nie etwas von der Speyside Distillery gehört haben. Einige vielleicht von den aktuellen Abfüllungen SPEY, aber insgesamt ist die Brennerei bei uns
doch absolut unter dem Radar geblieben. Mein Vorwissen? Ungefähr so: "Machen die nicht diese ganzen Whiskys ohne Altersangabe (auch NAS = No Age Statement)?"
In der Tat bietet die Brennerei wenig Altersangaben an, die Range liest sich so: Tenné, Fumare, Trutina, Chairman's Choice und 18 Jahre. Autsch, 4 mal ohne Alter, einer davon auch noch 40% und kühl filtert, dazu auch noch unbekannt. "Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!"
Oh man, schön, wenn solche Eindrücke aus der sicheren Distanz sich als falsch herausstellen!
Speyside Distillery - Die Führung
Um es nur noch einmal kurz zu erwähnen, eine Führung ist ausschließlich nach vorheriger Buchung durchführbar und das Tor zum Gelände ist so weit entfernt, dass man auch die Gebäude nicht ohne Tour sehen kann. Solltet Ihr also Interesse haben, dann verlasst euch nicht auf mein Glück und kümmert euch vorher drum!
Erste Einblicke in das Gelände
Am Morgen der Tour war das zuvor verschlossene Tor weit geöffnet und wir konnten einfach auf das Gelände fahren. Eine kleine Single Track Road schlängte sich vor uns sanft einen Berg hinunter und ließ nach einer Linkskurve den Blick auf das Gelände zu. "Och, wie süß!", hörte ich vom Beifahrersitz. In der Tat ist die Speyside Distillery eine der schönsten Brennereien, die ich bisher besucht habe. Abgeschieden in einem Tal, plätschernde Bäche, Bäume und richtig eingekuschelt in die Landschaft. Auf dem Parkplatz stand noch ein Tesla und zwei weitere Personen: Amy und Dan. Die beiden hatten ähnliches Glück wie wir, oder besser gesagt: Wir waren unser gegenseitiges Glück! Denn sowohl wir, wie auch Amy & Dan hatten kurzfristig versucht eine Tour zu bekommen. Diese werden aber erst ab vier Personen durchgeführt. Glücklicherweise konnten wir alle am Donnerstag und so kam die Tour zustande.
Nach einer kurzen Begrüßung zogen wir über das Brennereigelände und Susan (unsere Führerin) kam uns direkt aus dem Büro entgegen und bat uns zu sich. Wir gingen also in einen kleinen Raum mit PC in der einen Ecke und Sitzrunde in der anderen. Da wir insgesamt nur fünf Personen waren, kamen wir schnell ins Gespräch und Susan führte uns durch die üblichen Punkte: Gerste, Grundzutaten, Destillation. Wer eine Brennereiführung mitgemacht hat, der kennt all das schon. Dennoch war Susan absolut charmant und unsere Mittouries (was ein Wort!) waren durchaus interessiert.
Nach der kleinen Einführung ging es wieder ins freie, die Sonne schien und die Temperatur war mit etwas über 20°C absolut perfekt. Aus dem Büro ging es rechts herum, Richtung Parkplatz, doch schon nach einigen Metern blieben wir stehen. Wir standen jetzt quasi im Zentrum der Brennerei: Vor uns das Stillhouse, rechts die Getreidekammer, dahinter das Büro. Mehr gibt es bei der Speyside Distillery nicht! Ein Lagerhaus sucht man vergeblich, das Gelände ist zu klein.
Ab diesem Zeitpunkt wurde die Tour dann richtig interessant. Zunächst: "Fotos? Gerne! Bitte teilt eure Eindrücke auch online mit uns!" Wir standen nun also bei bestem Wetter draußen und Susan begann mit der Geschichte der Brennerei: Eigentlich handelt es sich um eine alte Farm, deren Ursprünge schon Jahrhunderte zurückgeht. Der kleine angelegte Bach über das Gelände und auch die Mühle stammen noch aus dieser Zeit und sind mehrere Hundert Jahre alt. Das Wasserrad wurde allerdings bestimmt mal erneuert. Ein kleiner "Fun Fact" nebenbei: Susan meinte, dass die Winterbrände vielleicht ein wenig nach Otter schmecken könnten. Diese lassen sich bei Stürmen nämlich gerne im kleinen Bach nieder und das Wasser wird tatsächlich für die Destillation verwendet. Ich musste natürlich direkt an die Simpsons denken ("Wir brauchen mehr Hunde!").
Der spannendste Teil ist allerdings das Stillhouse. Dieses wurde in Handarbeit von einer Person gebaut, Alex Fairlie. Der Bau hat ca. 20 Jahre gedauert und begann 1968, die Brennerei kam erst richtig 1990 in Betrieb. Fairlie wohnte die gesamte Zeit über in einem Wohnwagen neben der Baustelle. Was ein Wahnsinn! Wenn Ihr die Brennerei von oben betrachtet (unten findet Ihr einen Link zu Google Maps, bitte klickt einmal auf die Kachel unten links zur Luftansicht) fällt auf, dass das Stillhouse einen Knick hat und ein wenig wie ein Bumerang aussieht.
Man könnte nun vermuten, dass der Bachlauf an die Form des Hauses angepasst wurde, allerdings wurde vielmehr das Gebäude an die alten Farmelemente angepasst. Der Grund für die seltsame Form ist übrigens ebenfalls skurril: Fairlie viel während der Bauzeit auf, dass nicht alle Gerätschaften in das Gebäude passen würden. Er musste daher schon während des Baus erweitern. Und da der Bach schon da war, tja, wurde halt ein Knick eingebaut.
Die Sache mit dem Namen
Bevor wir zusammen in das Brennhaus gehen, spreche ich kurz den Elefant im Raum an: Die Speyside Distillery hat einen seltsamen Namen. Immerhin ist sie nach einer Whiskyregion benannt, wurde aber erst 1990 in Betrieb genommen. Maßt man sich hier etwa viel an? Hatte man keine Idee?
So ganz hat sich mir die Geschichte nicht erschlossen. Es gab wohl im nahe gelegenen Ort Kingussie ("Kinjussie" ausgesprochen) wohl schon vorher eine Brennerei, allerdings gab es da irgendwie Probleme mit den Namensrechten, die nicht beim Brennereigründer lagen. Die weitere Idee war die Brennerei "Drumguish" zu nennen, aber auch daraus wurde nichts, mittlerweile wird unter diesem Namen allerdings der Likör vertrieben. So kam es also zu dem Namen Speyside Distillery, welcher vielleicht auch mit dem geringen Bekanntheitsgrad zu tun hat. Gebt mal in einem beliebigen Shop "Speyside" oder "Spey" ein, meist geht die Brennerei gnadenlos in der Masse der Ergebnisse unter.
Weiter geht's! Brennblasen und Lagganmore
Zurück zur Tour: Nach den Ottern ging es ins Heiligtum der Brennrei: Das leicht gedrehte Stillhouse. Wobei hier nicht nur gebrannt wird, auch die Mashtuns und alles an Equipment sind in dieser großen Steinhalle versammelt. Die Fermentation in der Speyside Distillery dauert mit 120 Stunden übrigens sehr lange, normal sind eigentlich 48 - 60 Stunden. Susan erklärte, dass man so besonders nussige Aromen in den Brand transportieren wolle. Nach meiner Einschätzung funktioniert das auch sehr gut. Die Brennerei war nicht in Produktion während wir da waren, kann aber von zwei Personen in Handarbeit betrieben werden. Im Sommer bekommen einfach beide Arbeiter zeitgleich frei, so kann man die Silent Season auch regeln!
Das Gebäude an sich ist wirklich schön, die Sonne fällt von oben auf die großen Kupferkessel und bringen diese zum glänzen. Tatsächlich ist das ganze Gelände so schön, dass es in der BBC Serie "Monarch of the Glen" als Brennerei "Lagganmore" verwendet wurde. Ein altes Schild erinnert noch an diesen glorreichen Auftritt.
Nachdem wir durch das Brennereigebäude gegangen waren, folgte ein kleiner Spaziergang um das Gebäude herum zu einem kleinen Raum auf der Rückseite der Mühle. Hier wurde der Werdegang der aktuellen Besitzer (Harvey's of Edinburgh) dargestellt und einige spannende Details zu den Abfüllungen verraten.
Big in Japan, oder doch Taiwan?
Die genaue Geschichte von Harvey's bekomme ich nicht mehr hin und wahrscheinlich ist das auch nicht so interessant. Allerdings ergibt sich daraus die besondere Stellung der Speyside Distillery in Taiwan. Dort ist die Brennerei lange Zeit Marktführer gewesen, und ist auch heute noch in den Top 5 der meistverkauften Brennereien auf der asiatischen Insel. Harvey's hatte schon immer gute Beziehungen nach Taiwan und nach dem Kauf einer eigenen Brennerei wurde dieser Schlüssel zum Markt wohl sehr erfolgreich genutzt.
Darüber hinaus gibt es so auch eine sehr gewagte und konstruierte Verbindung zum Königshaus, weshalb es die Royal Choice Abfüllung gibt. Nun ja, Marketing eben. Aber eine Sache hat mich dann tatsächlich sehr positiv überrascht: Auf dem Flaschenboden sind drei kleine Punkte geprägt. Diese sind ein süßer Hinweis auf den ehemaligen Flaschenhersteller für Harvey's Blends. Ein Detail, welches absolut unnötig ist, vom Marketing nicht verwendet wird und gerade deswegen so viel Charme hat.
Falls Ihr euch übrigens fragt,warum der "Chairman's Choice" mit nur 40% und Kühlfilterung abgefüllt wird: Diese Abfüllung wird vor allem in Taiwan verkauft und die erste Charge wurde zurückgeschickt, denn der Whisky war "schlecht" geworden. Die Kenner wissen jetzt: Auf der Reise nach Asien wurde der Whisky kühl und daher trüb. Manchmal muss man eben Zugeständnisse machen...
Whiskytasting - Es ist genug für alle da!
Den Abschluss der fast 3 stündigen Tour verbrachten wir mit einem ausgiebigen Tasting im wunderschönen Tastingraum. Leider sind die Bilder etwas unscharf geworden, die Kamera kam mit dem Licht nicht so zurecht. Der Raum war im Stockwerk unterhalb des Büros und damit halb im Boden eingelassen. Zu einer Seite konnte man von innen in die Mühle mit dem Wasserrad schauen, der Rest war gemütlich mit schweren Möbeln und vielen Holzbalken eingerichtet.
Susan kam sogleich eine geniale Idee: Da die Damen nicht trinken würden (das Schicksal der Fahrerinnen), könne sie ja den Männern 6 statt 3 Drams anbieten. Verschiedene
selbstverständlich!
So kamen wir in den Genuss der gesamten Range der Brennerei:
- SPEY Trutina
- SPEY Tenné
- SPEY Chairman's Choice
- Beinn Dubh (stark ausgekohlte Portwein Fässer)
- SPEY 18 Jahre
- Beinn Dubh 20 Jahre
- SPEY Fumare
Wie ihr seht, gab es dann sogar noch mehr, als eigentlich gesagt. Man kam halt in Stimmung und konnte sich gut unterhalten. Die Frauen haben noch einen Gin probieren können (nur nippen!) und insgesamt hatten wir eine gute Stunde Zeit um alle Whiskys zu probieren. Im übrigen wurde so gut eingeschenkt, dass es kaum möglich war alle Drams auszutrinken. Ich habe es zumindest nicht geschafft.
Fazit - Eine unentdeckte Perle
Ich denke, dass mein heutiger Artikel eigentlich für sich spricht und ich gar nicht viel zusammenfassen muss. Eine Tour bei der Speyside Distillery lohnt sich absolut! Für 15 Pfund haben wir eine absolut private und intime Tour durch eine der schönsten Brennereien Schottlands erhalten. Weniger überlaufen als Edradour oder Strathisla, dafür leider ohne Lagerhaus. Von den Whiskys war ich mehr als positiv überrascht. Die schwachen Bewertungen in der Whiskybase kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Wenn Ihr mal auf der Ecke seid, dann zögert nicht! Schreibt eine Mail, macht einen Termin aus und lasst euch dieses Juwel nicht entgehen!
SPEY 18 Jahre - Verkostungsnotizen
Über den Whisky: Der SPEY 18 Jahre stammt noch aus den Beständen der Vorbesitzer und wurde mindestens 18 Jahre in Sherryfässern gelagert. Auf der Flasche steht "Selected Edition", allerdings konnte ich nicht wirklich viel dazu finden. Für mich sieht es nach einem normalen 18er aus, der in Batches abgefüllt wird. Spannend ist die helle Farbe. Hier sind entweder viele Refill Fässer im Mix oder aber helle Sherrys wie z.B. Fino.
Aroma: Der Alkohol ist sehr gut eingebunden. Die Nase wird kaum gekühlt und es prickelt nichts. Der Whisky ist eine Mischung aus leicht, filigran und dennoch kraftvoll. Was ich
damit meine?
Im Vordergrund sind florale grasige Noten zu finden. Dann werden fruchtigere Noten präsenter, ich finde Erdbeeren und Himbeeren. Dazu ein wenig Johannisbeere, welche vor allem durch eine leichte Säure angezeigt wird. Von der Nussigkeit des Tenné ist wenig zu finden, vielleicht liegt es also wirklich an der langen Fermentation, welche bei dieser Abfüllung noch nicht durchgeführt wurde.
Geschmack: Der Geschmack ist ausgewogen, mundausfüllend und ein wenig prickelnd. Das Destillat hat durchaus Charakter und Kraft, ich merke eine starke Würze, welche ich im Aroma
kaum wahrgenommen habe. Vorne an liegt eine florale, blumige Frische. Dann kommt eine stärkere saure Note, welche ich gerade noch als angenehm empfinde. Die Fruchtigkeit des Aromas kommt nur
leicht durch, dunkle Kirschen und ein wenig Rosine schmecke ich. Dann kommt eine kräftige Holznote, welche nach 18 Jahren nicht verwundern sollte, dennoch stark ausgeprägt ist.
Abgang: Der Abgang ist leider relativ kurz, maximal mittellang. Der Whisky bleibt mit bitteren Kakaonoten im Mund zurück. Die Eiche legt sich leicht pelzig auf die Zunge und
kleidet den Mund aus.
Abschließende Gedanken: Nach der Verkostung würde ich eher auf Refill- als auf helle Sherryfässer tippen. Der Whisky wird schon stark von der Eiche dominiert und wird gerade zum Ende hin relativ bitter und holzig. Dennoch gefallen mir Aroma und Geschmack gut, dieser Speysider ist etwas kräftiger als andere Vertreter. An den Tenné kommt er für mich nicht ganz ran. Dennoch ein feiner Tropfen!
Kategorie: Scotch Single Malt
Destille: Speyside Distillery
Region: Speyside
Preis: 51-100€ (~80€)
46%
Kältefiltration: Nein
mit Farbstoff: Nein
Fasstyp: Sherry Casks
Mehr Informationen:
Speyside Distillery auf A Dr(e)am of Sea
Abschließende Bewertung:5/7
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