Der heutige Whisky ist ein kleines Kuriosum. Ein Edradour abgefüllt von Signatory Vintage, also irgendwie ein nicht wirklich unabhängig abgefüllter, aber irgendwie doch unabhängig abgefüllter Whisky. Zeit, sich das genauer anzuschauen!
Edradour und Signatory Vintage
Eines vorweg: Natürlich gibt es einige Edradour Whiskys, die durch Signatory Vintage abgefüllt wurden. Bei dem heutigen Whisky handelt es sich in dieser Hinsicht auf keinen Fall um ein Unikat oder ein wirkliches Kuriosum! Dennoch finde ich die Situation spannend und würde gerne versuchen den Sachverhalt aufzudröseln.
Teil 1: Edradour
Fangen wir mal mit dem älteren der beiden Teile an, der Brennerei Edradour. Die Destille wurde 1837 gegründet, bzw. nahm zu diesem Zeitpunkt die Produktion an jetziger Stelle auf. An dieser Stelle kommen dann wieder diverse Besitzerwechsel ins Spiel: 1933 wurde an William Whiteley verauft, 1938 ging sie an Irving Haim. 1982 kam dann Pernod Ricard in den Besitz von Edradour, welche 1986 den ersten Single Malt herausbrachten. Im Jahre 2002 kam dann Signatory Vintage in den Besitz der Brennerei, wo sie auch heute noch verbleibt und diese seltsame Abfüllkonstellation möglich macht. Edradour ist übrigens eine wunderschöne Brennerei! Viele Bilder und eine ausführliche Besprechung meines Besuchs könnt Ihr hier nachlesen.
Teil 2: Signatory Vintage
Signatory Vintage ist bestimmt einer der bekanntesten Unabhängigen Abfüller in der Whiskyszene. Die Firma wurde 1988 von Andrew Symington gegründet und war zunächst in Edinburgh beheimatet. Erst mit dem Kauf von Edradour zog die gesamte Firma auf bzw. angrenzend zum Brennereigelände. Signatory hat ein umfassendes Line Up von Whiskys und meist sind über 50 verschiedene Abfüllungen auf dem Markt. Aufgegliedert sind die Abfüllungen in drei unterschiedliche Linien:
- Signatory Vintage (ohne weiteren Namen): Abgefüllt mit 43% und meist relativ günstig
- Signatory Vintage The Un-Chillfiltered Collection: Abgefüllt mit 46% und ohne Kühlfiltration
- Signatory Vintage Cask Strength Collection: Abgefüllt in Fassstärke und ohne Kühlfiltration
Gefärbt wird bei Signatory grundsätzlich nicht und insgesamt konnten mich viele dieser Abfüllungen überzeugen. Hier stimmen Preis und Leistung wirklich häufig überein!
Teil 3: Was trinken wir denn nun heute?
Die entscheidende Frage ist heute also: Was trinken wir denn nun, unabhängig abgefüllt oder Originalabfüllung? Für den Geschmack ist es selbstverständlich egal, aber dennoch handelt es sich um
eine spannende Frage.
Ich würde sie so beantworten: Der heutige Whisky ist unabhängig abgefüllt. Bei Edradour und Signatory Vintage handelt es sich nämlich um unterschiedliche Firmen: Edradour Distillery Co. Ltd. und
Signatory Vintage Scotch Whisky Co. Ltd.
Auch wenn der Eigentümer der gleiche ist, sind es doch unterschiedliche Firmen. Daher würde ich es so sehen: Das Fass aus der heutigen Abfüllung wurde offiziell von Edradour an Signatory verkauft und dann entsprechend gelagert. Natürlich erfolgt diese Lagerung auf dem gleichen Gelände, vielleicht sogar im gleichen Lagerhaus. Aber vielleicht sollte dieses Fass nicht in einem Standard Edradour 10 verwendet werden (da es zu gut ist?), oder es gab einen anderen Grund. So gesehen handelt es sich um eine unabhängige Abfüllung.
Ein kleines Detail fällt dennoch auf: Das Etikett ist für Edradour Abfüllungen anders als für die anderen Signatory Abfüllungen. Eine kleine Extrawurst gibt es also doch.
Wie ich aber eben schon geschrieben habe, es geht um den Geschmack! Und dem werden wir uns nun genauer widmen.
Edradour 2008 / 2018 Signatory Vintage - Verkostungsnotizen
Über den Whisky: Dieser Whisky stammt aus dem Fass Nummer 50. Es handelt sich dabei um ein First Fill Sherry Fass, welches mit 46% abgefüllt wurde. Die Reifezeit liegt bei knapp über 10 Jahren und wie bei Signatory üblich wurde nicht gefärbt und auch nicht kühl gefiltert.
Aroma: Die ersten Eindrücke sagen: Ja, ein gutes Sherryfass war hier am Werk! Sofort steigt eine schwere Süße aus dem Glas, die eine Mischung aus Rumtopf, Eiche, etwas muffiger Schwere, Vanillenoten mit getrockneten roten Früchten verbindet. Hinzu kommt eine deutliche Kräuternote, die ein wenig an Bonbons erinnert.
Geschmack: Das Mundgefühl ist durchaus angenehm, wenn auch etwas herausfordernd. Dieser Whisky ist nicht unbedingt etwas für Einsteiger, so viel ist direkt klar! Mundausfüllend, dabei aber auch sehr kräftig legt sich der Edradour auf die Zunge. Geschmacklich kommen zunächst rote Früchte wie Johannisbeere (leichte Säure inklusive), Rosinen und eine deutliche getrocknete Pflaume. Hinzu kommt eine malzig-zuckrige Note, die mir sehr gefällt. Unter allem liegt eine charakteristische Note für Edradour, die für mich ein wenig an Seife erinnert. Einige würden vielleicht Koriander sagen, aber ganz so stark ist sie dann doch nicht.
Abgang: Der Abgang ist mittellang und zeigt vor allem die Brennereinote, begleitet von Eicheneinfluss. Der Whisky wird so zum Ende hin etwas bitterer, ohne dabei zu bitter zu werden. Insgesamt wird das Erlebnis trockener und mehr von der Eiche getragen.
Abschließende Gedanken: Dieser Edradour ist wirklich ein Preis-Leistungs-Tipp! Die Fassreifung kommt natürlich dominant durch, überwältigt die robuste Brennereinote aber nicht und obwohl der Whisky im klassischen Sinne eine "Sherry-Bombe" zu sein scheint, zeigt er doch eine angenehme Komplexität. Für Whiskyeinsteiger würde ich ihn nicht empfehlen, dafür ist er zu kantig und fordernd, aber für Genießer, die genau dies suchen ist der Preis kaum zu schlagen. Einziger Wehrmutstropfen: Ich habe Fass #26 probiert und bin noch ein wenig mehr begeistert gewesen, da der Whisky voller und süßer war. Wenn Ihr die Wahl habt, würde ich zu #26 raten. Das macht dieses Fass aber keinesfalls schlechter.
Kategorie: Scotch Single Malt
Destille: Edradour
Region: Highlands
Preis: 0-50€ (~45€)
46%
Kältefiltration: Nein
mit Farbstoff: Nein
Fasstyp: First Fill Sherry Cask
Fassnummer: 50
Mehr Informationen:
Abschließende Bewertung: 6/7
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