Heute geht es an einen Whisky, von dem ich im Vorfeld nicht genau weiß, was ich von ihm halten soll. Edradour ist eine Brennerei, die bei mir jahrelang einen schweren Stand hatte. Dann war ich vor Ort, gab dem 10er (mehr oder weniger notgedrungen) auf der Tour eine Chance und fand ihn erstaunlich gut. Eine Tour vor Ort ist immer eine gute Möglichkeit zur Erlösung. Ich freundete mich also langsam mit der Brennerei an, die ich von den Abfüllungen her ja eigentlich auch mögen müsste. Wenn Ihr meine bisherigen Edradour-Besprechungen durchklickt, dann seht Ihr auch, dass ich langsam mit der Brennerei warm werde.
Heute geht es nun also an einen Whisky, der ein Finish in Rumfässern erfahren hat. Und was soll ich sagen? Auch hier wird es bei mir eher kritisch. Rumfasslagerung ist nämlich nicht gerade mein Favorit. Ihr seid also gewarnt, let's go!
Brennereicharakter - eine Spurensuche
Heute will ich mich mal wieder ausgiebiger einen Whiskythema widmen. Meistens bin ich in letzter Zeit doch eher dazu übergegangen Whisky und Destille vorzustellen und die weiterführenden Themen außen vor zu lassen. Warum? Mir kamen keine guten Themen in den Kopf.
Letzte Woche war dies allerdings anders. Unter meiner Besprechung zum The Duthac wurde auf Facebook ausgiebig diskutiert. Das Thema: Wann spiegelt ein Whisky eine Brennerei wieder? Grundlegend gab es zwei Positionen, die ich gerne, wenn auch vielleicht verkürzt, wiedergeben möchte:
Position A: Die Originalabfüllungen einer Brennerei zeigen den Charakter einer Brennerei. Die Begründung ist: Hier werden Malts kreiert, die eben genau das tun sollen: Eine Brennerei präsentieren. Das Aushängeschild sein, sozusagen.
Position B: Nur Fassstarke, ungefärbte, unverdünnte, nicht kühl gefilterte Single Casks geben den Charakter einer Brennerei wieder. Die Begründung ist auch hier recht offensichtlich. Nur wenn man den Whisky möglichst wenig behandelt, bekommt man den unverfälschten Charakter der Brennerei ins Glas.
Ich gebe zu, diese - freundlich geführte! - Auseinandersetzung fand ich ziemlich spannend. Vor allem aus dem Grund, weil ich beide Positionen irgendwie nachvollziehen kann. Ich zwang mich die Woche über also dazu, mich selbst zu verorten. Position A hat auf jeden Fall ihren Reiz. Immerhin werden sich die Masterblender ja etwas bei der Fasszusammenstellung gedacht haben. Der Charakter einer Brennerei zeigt sich vielleicht bei einer Zusammenstellung verschiedener Fässer, es gibt somit ein rundes Gesamtergebnis, welches auch gleichbleibend sein kann. Einen 12 Jahre alten Glenfiddich kann man immer kaufen, er wird jedes Mal sehr, sehr ähnlich schmecken. Ist also der 12er Glenfiddich der "Kern", der "Charakter" der Brennerei?
Die Argumentation wird schwieriger, wenn man sich den anderen Kriterien widmet. Farbstoff kann und will ich nicht verteidigen. Das Argument "der Käufer wünscht sich eine gleichbleibende Farbe" halte ich für wenig stichhaltig. Als ob sich ein Kunde, der anscheinend über wenig Wissen im Whiskybereich verfügt, genau an die Goldschattierung eines Supermarktwhiskys erinnern würde. Hier soll Alter, Fass und Qualität vorgegaukelt werden, für den Kern der Sache ist Farbstoff nicht zuträglich. Ähnlich ist es bei der Kühlfiltration. Diese erscheint auch nur notwendig, damit Kunden sich nicht über eine Eintrübung wundern. Diese Angst scheint etwas stärker begründet, ein trübes Produkt wirkt selten anziehend. Allerdings gibt es eine einfache Lösung: Die Abfüllstärke auf mindestens 46% erhöhen! Das Argument zu 40% ist halt doch das Eingestehen, dass dies eben das gesetzliche Minimum ist. Ich bin mir sicher, das einige Unternehmen ihren Whisky noch weiter verdünnen würden, wenn das möglich wäre. Gut, das war viel Spekulation. Wo lässt uns das bei der Frage nach dem Charakter einer Brennerei?
Ich denke, dass es durchaus Originalabfüllungen gibt, die einen ziemlich unverfälschten Eindruck des Produktes wiedergeben: Deanston, Tobermory und Bunnahabhain seien hier mal genannt. Alle Standards verfügen über 46,3% und Farbstoff und Kühlfiltration sind ein Fremdwort. Muss es denn mehr sein?
Diese Frage führt zu Position B. Nur, wenn ein Whisky (mehr oder weniger) direkt aus dem Fass in die Flasche kommt, kann man den Charakter der Brennerei erkennen. Kein Gemische, kein glätten von Kanten, keine Spielereien mit Farbstoff - so muss Whisky sein!
Für mich mag auch diese Position zutreffen, denn hier erhält mal wirklich das reine Produkt. Wenn man die Raw Cask Serie nimmt, ist nicht einmal eine einfache Filterung dabei!
Wo verorte ich mich also selbst? Ehrlich gesagt fällt es mir noch immer schwer. Ein Punkt, der für mich deutlich gegen Position B spricht ist der Fasseinfluss. Ich habe bei unabhängigen Abfüllern schon Flaschen probiert, die nur noch nach dem Fass geschmeckt haben. Von der Brennerei habe ich nichts mehr wahrgenommen. Ein Beispiel dafür war ein Glenlivet aus der Local Dealer Serie. Wenn das Fass den Whisky dominiert bekommt man eben mehr Fass als Brennerei. Auch kann man argumentieren, dass Einzelfässer immer nur einen Ausschnitt der Möglichkeiten einer Brennerei zeigen. Vielleicht einen "wahreren", aber auch nur einen kleinen Einblick. Die Argumentation gegen die Originalabfüllungen ist auch logisch. Hier wird mehr Wert auf das Gesamtbild gelegt, der Blick für kleine, und spannende Abweichungen geht verloren. Ich bin nun also, wieder einmal, extrem langweilig und vertrete diplomatisch eine Mittelposition: Der Mix macht es! Eine originale Standardabfüllung zeigt mir den massentauglichen Blick auf eine Brennerei, die Single Casks dann einen speziellen Ausdruck. Nur zusammen ergibt sich der Blick auf den Charakter, die Möglichkeiten einer Brennerei. Ein Puzzle, das über Jahre gelöst werden will!
In der heutigen Verkostung gibt es sodann einen Whisky, der diese Mittelposition vielleicht spannend wiedergibt: Eine Originalabfüllung von Edradour, die aber vom deutschen Importeur angeregt wurde. Ein Einzelfass in Fassstärke, dennoch irgendwo auch ein Original.
Edradour 2008 / 2018 Hampden Rum Finish - Verkostungsnotizen
Über den Whisky: Dieser Edradour wurde am 23.4.2008 destilliert und am 12.11.2018 abgefüllt. Es handelt sich um ein Einzelfass, das zunächst in Ex-Bourbon lagerte und dann für ein Finish in ein Hamden Rum Casks umgefüllt wurde. Abgefüllt wurde mit 57% Fassstärke, ohne Farbstoff oder Kühlfilterung.
Aroma: Das Aroma ist kräftig und zeigt direkt das Rumfass. Ich habe leicht angegorene Ananas, vielleicht auch Dosenananas in der Nase. Dazu etwas Melasse, Zucker und insgesamt viel Süße. Das könnte schon fast ein Rum sein. Würde ich da blind drauf reinfallen? Vielleicht! Der Alkohol schiebt kräftig an. Dann kommt eine trockene Würze, fast in eine Kräuterrichtung.
Geschmack: Der Antritt ist angenehm dosiert - nicht zu stark und nicht zu schwach. Direkt kommt wieder eine überbordende Süße: Ananas (ganz sicher), etwas Mango, Papaya. Dann Vanille, etwas trockener werdend auch leichte Eiche, sehr schön ausbalanciert. Zum Abgang hin kommt ordentlich Würze auf.
mit Wasser: Durch die Zugabe von Wasser wird das Mundgefühl deutlich cremiger und die Süße kommt gefälliger daher. Weniger "vergorene" Früchte, sondern eher leicht gezuckert. Ich würde die Zugabe von Wasser definitiv empfehlen!
Abgang: Der Abgang ist, nun ja, speziell würde ich sagen. Kennt Ihr diese Echinacea-Tropfen? Genau diesen Geschmack habe ich. Insgesamt recht bitter würde ich zusammenfassen.
Abschließende Gedanken: Ich und Whisky aus Rumfässern. Das funktioniert selten. Dieser Edradour trifft wieder in diese Kategorie. Spannend, eigentlich ganz lecker, aber nicht so wirklich meins. Wenn Ihr Whisky aus Rumfässern mögt, dann ist dieser Whisky definitiv etwas für euch, denn die Fassreifung zeigt er richtig gut.
Malt Moment: Kann man Bowle mit Rum machen? Geht das auch mit Whisky aus Rumfässern?
Zusammenfassung:
Kategorie: Single Malt Whisky
Destille: Edradour
Region: Highlands
Preis: 51-100€ (~80€)
57%
Kältefiltration: Nein
mit Farbstoff: Nein
Gelagert in: Bourbon Casks, Finish in: Hampden Rum Casks
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