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"Vor Ort": Raasay Online Tasting

Raasay Whisky

Corona hat uns nach wie vor alle ziemlich fest im Griff. Lockerungen gibt es zwar und auch die ersten Tastings finden unter enormen Aufwand statt, aber, zumindest für mich, ist an eine größere Reise aktuell nicht zu denken. Für die schottische Whiskyindustrie ist das natürlich ein massives Problem. Viele Visitorcenter sind geschlossen, die großen Whiskyfestivals sind alle ausgefallen und diese Einnahmen brechen einfach weg. Wie bei so vielen eben. Die Idee Tastings online durchzuführen war bei vielen Brennereien schnell aufgekommen und auch Raasay bot ein Onlinetasting an. Zu meinem Glück sogar direkt am Abend meines Geburtstags. Ich konnte mich also selbst beschenken, was meiner Verlobten ein "Dir kann man auch nichts schenken! Du kaufst Dir immer alles selbst!" entlockte. 

Heute möchte ich Euch an diesem Tasting teilhaben lassen und verrate schon jetzt: Das war richtig gut gemacht!

Urlaub über Zoom?

Fangen wir mit der Teilnahme an, diese gestaltete sich als unglaublich einfach: Tastingpaket bestellen, geliefert bekommen und fertig. Nun, für mich als sicherheitsbedürftigen Deutschen fehlte im Paket, was ca. eine Woche nach Bestellung kam zwar ein kleines Schreiben, wie es nun weitergeht, aber eine Woche vor dem Tastingtermin kam eine Mail mit einem Zoom Link. Also alles ganz einfach. Ich bin kein Fan von Zoom, aber sich gegen dieses Programm zu wehren erscheint unmöglich, zumindest muss ich es auch für die Arbeit nutzen. Meine Daten sind also eh verkauft.

Das Tasting begann um Punkt 20 Uhr (7 PM schottischer Zeit) und wurde von William Dobbie moderiert. Für mich wirkte zunächst alles wie ein "normales" Tasting. Ein Host, der mit uns 6 (fast) Whiskys verkostet. Dann jedoch folgte die Überleitung zu Alasdair Day, seines Zeichens Mitbegründer der Brennerei! Und Alasdair saß nicht etwa vor einer Bücherwand zuhause, sondern war direkt vor Ort in der Brennerei. Als Kameramann/ Tour Guide war außerdem noch Calum Gillies mit an Bord. Während des Tastings wurden wir so mit und von Alasdair durch die Brennerei geführt, die Drams waren für ihn dabei an verschiedenen Stationen vorbereitet. Tasting und Distillery Tour in einem - genial!

Über Raasay

Um es vorweg zu nehmen: Das Tasting war so ausführlich, dass ich ganze fünf Seiten Mitschriften angesammelt habe. Dabei ging es immer wieder hin und her zwischen William und Alasdair, wobei Alasdair zunächst sein "normales Programm" abspielte und dann aber auch immer wieder auf Fragen der Teilnehmer eingehen konnte. So blieb am Ende eigentlich nichts unbeantwortet. Ich versuche die wichtigsten Fakten für Euch zu bündeln. 

Die Brennerei Raasay ist die erste legale Brennerei der gleichnamigen Hebrideninsel. Natürlich gab es auch hier, so gehört es sich ja in Schottland, auch illegale Brennblasen ("Illicit stills"), diese waren aber meist eher provisorisch. Der Betrieb bei Raasay wurde 2017 aufgenommen, sodass der erste Whisky Ende des Jahres abgefüllt werden kann, wahrscheinlich im November. Die erste reguläre Veröffentlichung als "Signature Edition" soll dann im April/ Mai 2021 folgen. 

Alasdair war es sehr wichtig zu betonen, dass die Brennerei viel ausprobiert. So besteht die erste Abfüllung aus 6 verschiedenen Komponenten: Ex-Bourdeaux Casks, Woodford Reserve Rye Casks und Chinkapin Virgin Oak Casks (Chinkapin ist eine amerikanische Eichenart). Jeweils als peated und unpeated. Das Verhältnis wird dabei ca. 50/50 zwischen rauchig und nicht rauchig sein und ein Großteil wird aus Rye Casks stammen, dann Chinkapin Oak und eine kleine Beimischung von Bourdeaux Casks. Neben diesen exotischen Fässern wird auch die Hefe variiert und die Destillation unterscheidet sich an zwei Stellen zwischen peated und unpeated. Darüber hinaus versucht man auch Gerste auf Raasay anzubauen, dabei wurden bisher Erträge von ca. 250kg je Getreidesorte (insgesamt 5) mit einem umgebauten Camper Van eingebracht. So konnte man in den letzten drei Jahren jeweils drei Fässer mit Destillat aus heimischer Gerste füllen. Nicht viel, aber bestimmt spannend. 

Die Herstellung des Spirits unterscheidet sich bei Raasay an zwei Stellen, je nachdem ob man rauchig produziert oder nicht. Zum einen wird das nicht rauchige Destillat bei der Fermentation in den Washbacks auf ca. 42°C gekühlt, während der Ansatz für rauchigen Whisky nicht gekühlt wird. Außerdem verfügt die Brennblase am Lynearm über ein sogenanntes cooling jacket, welches gesondert aktiviert werden kann. Eingeschaltet sorgt es für einen stärkeren Rückfluss und ein öligeres, schweres Destillat. Getorft wird bei Raasay auf ca. 48-52ppm, wobei in der fertigen Signature Abfüllung etwa 20ppm erreicht werden sollen. Also eher lightly peated als Islay.

Ihr seht schon, es gab viele Infos, Details bis ins Stadium "Extra-Nerd". Ich lasse Euch einfach durch die Bilder schauen und quäle nicht mit mehr. Was gab es denn eigentlich zu trinken?

Es gab ja auch noch ein Tasting!

Neben den ganzen Infos gab es ja auch noch ein Tasting. Verkostet wurden alle Bestandteile des kommenden Signature Whiskys. In Fassstärke von ca. 61%, eine genaue Angabe gab es tatsächlich nicht.

 

  • Virgin Chinkapin Oak, unpeated, 25 months, ~61% Alkohol
  • Ex- Bordeaux Casks, unpeated, 26 months, ~61% Alkohol
  • Ex-Woodford Reserve Rye Casks, unpeated, 25 months, ~61% Alkohol
  • Virgin Chinkapin Oak, peated, 28 months, ~61% Alkohol
  • Ex- Bordeaux Casks, peated, 28 months, ~61% Alkohol
  • Ex-Woodford Reserve Rye Casks, peated, 29 months, ~61% Alkohol

Wenn ich jetzt alle Proben im Detail besprechen würde, wäre der Artikel ewig lang. Daher belasse ich es bei einem Überblick. Generell war ich sehr von der Gesamtqualität beeindruckt. Eine metallische Jugend konnte ich bei keinem der Spirits ausmachen. Die Chinkapinfässer zeigen eine schöne, vanillige Süße bei vergleichsweise wenig Eicheneinfluss. Die Würze kommt in der Gesamtkomposition des Signature wohl eher aus den Ryefässern, die durchaus ordentlich Kraft haben und ihre Herkunft nicht verstecken wollen. Die Bordeauxfässer sind aktuell noch sehr "weinig", mir sogar etwas zu sehr. Alasdair merkte dazu aber auch an, dass die Intensität der Vorbelegung im Laufe der Zeit abnimmt, da Wein nicht so tief in das Holz eindringe wie Whisky. Im Laufe der Jahre ziehe der Whisky daher dann weniger Rotwein- und mehr Holznoten aus dem Fass. Im Gesamtblick macht es aber Sinn die Bordeauxfässer einfließen zu lassen, sie machen nur einen kleinen Teil der Rezeptur aus und geben damit schöne fruchtige Noten ab. Am meisten überzeugt war ich tatsächlich vom letzten Sample, dem peated Rye Cask, welches mit ein wenig Wasser sehr zart, cremig und wirklich ölig wurde. Schon jetzt ein toller Whisky, ohne, dass er sich aktuell so nennen darf. 

Und jetzt wieder offline: Fazit

Zusammenfassend kann ich nur sagen: Das war ein tolles Event. Ich hatte nicht mit einer kompletten Brennereiführung gerechnet, sondern hatte mich "nur" auf ein Tasting gefreut. Dabei auch noch einen der Gründer als Host zu haben ist natürlich großartig. Die "Whiskys" waren durch die Bank weg gut, einige sogar sehr gut und ich freue mich auf die erste Abfüllung. Der Inaugural Release ist aktuell auch noch vorbestellbar - mit £99 natürlich aber kein Schnäppchen. 

Abschließend kann man Alasdair und seinem Team nur gratulieren! Sie machen einen tollen Spirit und das auch noch heimatverbunden und absolut sympatisch. Raasay zu besuchen ist durch dieses Tasting auf jeden Fall zu einem ziemlichen "must do" geworden - die Inseln fehlen mir ja eh noch!

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