Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Der heutige Einleitungs- und Thementext hat nicht unbedingt was mit dem verkosteten Whisky zu tun. Dazu hätte ich wohl die zweite Woche in Folge einen Highland Park besprechen müssen, denn eigentlich handelt es sich heute um eine Fortsetzung meines letzten Artikels, den ihr hier lesen könnt.
Kurz zusammengefasst: Letzte Woche habe ich den Voyage of the Raven & Valkyrie von Highland Park probiert und mich ein wenig über die Marketingmasche der Brennerei ausgelassen.
Dabei habe ich den Text bewusst überspitzt formuliert und natürlich an der einen oder anderen Stelle ordentlich übertrieben. Dennoch kam es zu durchaus kontroversen Diskussionen im Anschluss.
Daher wollte ich heute noch mal an das Thema anknüpfen, und zwar in eher essayistischer Form; entschuldigt also eventuelle Ausschweifungen.
Wenn ich einen Whisky schlecht bewerte, dann bewerte ich immer das Produkt in meinem Glas. Ich bewerte damit nicht die Menschen, die dieses Produkt hergestellt haben. Um an Highland Park anzuknüpfen: Natürlich wollen alle Mitarbeiter in der Brennerei tollen Alkohol herstellen, natürlich ist das Marketing auf einem Topniveau und natürlich sind die Künstler, deren Werke auf die Verpackung kommen, wirklich gut. Mir gefällt das Design ja auch. Was ich bewertet habe, ist der Geschmack des Produktes, und diesen auch in Abhängigkeit zum Verkaufspreis. Für mich stimmt hier das Verhältnis nicht und das habe ich hoffentlich auch so dargestellt.
In Ordnung, das wäre jetzt nicht unbedingt einen Fortsetzungspost wert gewesen. Aber "die Sache mit der Kritik" ging für mich in einem anderen Bereich weiter.
In einer Facebookgruppe durfte ich einen herrlichen Post, der eigentlich gar nicht an mich gerichtet war, lesen. Darin wurde über Whiskyblogger hergezogen, die - entschuldigt die Ausdrucksweise, es ist ein direktes Zitat - "wie Hundescheiße in öffentlichen Parks" aus dem Boden schießen. Die Frage war, ob "wir [Blogger] zu viel Freizeit oder keine Freunde" hätten.
"Malte, reg' dich ab. So ein Troll will doch, dass du dich über ihn aufregst.", sagt ihr jetzt. Stimmt, ignorieren ist hier das bessere Vorgehen. Aber, ehrlich gesagt, mich regt sowas wirklich auf.
Ich habe ein dickes Fell, wenn es um den Umgang im Internet geht. Jeder der mal ein Multiplayer Spiel gespielt hat weiß, was einem da an den Kopf geworfen werden kann. Der Umgang in Onlineforen oder schlecht moderierten Subreddits kann grausam sein, und zwar international. Bis letzte Woche hatte ich das Gefühl, dass wir - die Whiskyszene - auch online eher dem Genuss zugewandt sind. Wahrscheinlich hat mich deshalb dieser Umgang so geärgert.
Damit es auch dem Letzten klar wird, möchte ich mal eine Lanze für alle Whiskyblogger brechen: Ich spreche wohl für alle, wenn ich sage, dass wir unsere Blogs mit Herzblut betreiben. So eine unreflektierte "Kritik" kann dann richtig treffen. Wir opfern viel freie Zeit und Nerven für unsere Blogs und nur die Wenigsten bekommen dafür eine finanzielle Entschädigung. Viel mehr tun wir es für die Gemeinschaft um neuen "Content" zu erschaffen, eine Szene in Bewegung und am Leben zu erhalten. Auf diese Menschen einzuschlagen braucht wirklich keiner. Wenn einem ein Blog nicht gefällt muss man ihn doch nicht lesen?!
Ich musste heute einfach mal meinem Ärger über so einen Umgang Luft machen, entschuldigt bitte, dass ihr es aushalten musstet.
Was nehme ich aus dieser Erfahrung mit?
Erstens: Ich habe tolle Leser, die manchmal zwar nicht meiner Meinung sind, aber sich dann in eine angeregte Diskussion stürzen. Danke dafür! Zweitens: Ich werde ab und an dann doch noch mal auf meine Wortwahl achten, Umgangsformen sind auch im digitalen Leben wichtig. Aber keine Sorge, ich versuche auch weiterhin spitz zu formulieren. Drittens: Ich habe schon lange keinen Artikel mehr mit einem Slainte! abgeschlossen. Dieser Abschlussgruß wird also in Zukunft wieder am Ende platziert sein.
Um doch noch die Verbindung zum heutigen Whisky hinzubekommen: Ich habe in letzter Zeit kein gutes Wort an der Brennerei Jura gelassen. Für mich war sie jetzt über Jahre hinweg ein Richard Paterson typisches Blendwerk an Fassgepansche und 40%-Abfüllerei. Auch der letzte unabhängig abgefüllte Jura (Dun Bheagan - 20 Jahre Rum Cask Finish) hat mir nicht so besonders gefallen. Aber: Um Kritik zu üben sollte man sich auch informieren. Ich habe mir also eine Anbruchflasche Jura Duirachs' Own organisiert und diesen 16 Jahre alten Standard mal wieder - nach bestimmt 5 Jahren Abstinenz - verkostet. Und meine Meinung ist durchaus gestiegen. Aber lest selbst:
Jura - 16 Jahre "Duirachs Own"
Über den Whisky: Dieser Jura ist Teil der Standardrange der Brennerei. Der Duirachs' Own ist eine Mischung aus verschiedenen Fasstypen (Ex-Bourbon, Ex-Sherry und bestimmt auch etwas Rotwein) und wird leider gefärbt, kühl gefiltert und nur mit 40% abgefüllt. Eine lange Zeit habe ich um Jura einen Bogen gemacht, die Brennerei war mir irgendwie zu langweilig und nicht spannend genug. Jetzt gebe ich dieser relativ alten Version aber mal wieder eine Chance!
Aroma: Sherry und Rotweinnoten. Dabei etwas muffig, sowas erinnert mich immer an den Charakter von Glenrothes. Getrocknete Früchte und deutliche Vanille, eigentlich ganz angenehm! Dazu kommt nasses Holz am Strand, also etwas holzig-würzig und ein wenig Waldhonig. Gefällt mir insgesamt gut!
Am Gaumen: Sehr leicht und zunächst schön fruchtig. Honig mit Vanille und Brombeeren. Dann würziger und holziger werdend. Etwas Getreide, Brot- oder Kuchenteig - dieser Teil gefällt mir besonders. Ganz entfernt ein kleiner Anklang von Rauch.
Abgang: Relativ kurz. Etwas würzige Eiche mit einer leichten Süße. Leider ziemlich unspektakulär, ich führe das mal auf die 40% Alkohol zurück.
Abschließende Gedanken: Für mich ist der Jura 16 Jahre eine kleine positive Überraschung. Ein Malt mit mehr Charakter als ich gedacht hatte. Ein paar Prozente hätten vor allem dem Abgang gut getan, aber der Anflug von Brot und wenig süßem Kuchenteig gefällt mir gut. Dazu ein paar Sherry und Rotweinaromen. Ein solider Whisky.
Kategorie: Single Malt Scotch Whisky
Destille: Jura (Islands)
Preis: 0 - 50€ (45€)
Alkoholgehalt: 40%
Kältefiltration: Ja
Farbstoff: Ja
Mehr Informationen:
Abschließende Bewertung: 4/7
Slainte!
Malte
Kommentar schreiben