Die Woche über konnte man auf vielen Blogs schon Meinungen zur neuen Nymphe von whic lesen. Ich habe mir etwas Zeit gelassen mit diesem Sherrymonster. Moment? "Monster"? Ich dachte
"Nymphe"?
Zeit für eine Erklärung!
Aller guten Dinge sind 3
Whic.de ist ein Internethändler für Whisky und andere Spirituosen. Soweit, so bekannt. Einigen dürfte auch bekannt sein, dass Arne Wesche und Kollegen auch Whisky abfüllen. Ich habe hier ja bereits die sujet Serie besprochen und auch die ersten beiden Abfüllungen aus der "Nymphs of Whisky" Serie. Einen Link zu whic als Abfüller gibt es hier, dann könnt ihr euch auf den aktuellen Stand bringen.
Jetzt geht es also in die nächste Runde mit dieser Abfüllung von Ben Nevis. Schauen wir uns einmal die Rahmendaten an: 22 Jahre (1995 - 2018) und in Fassstärke mit 52,9%. Dazu eine volle Reifung in Sherry. Was will man da schon falsch machen.
Anscheinend ein wenig, denn ich konnte online eine seltsame Diskussion verfolgen. Zwei Argumente kamen hier zum tragen, die so auch zur gesamten Whiskyszene passen. Daher das Folgende bitte als allgemeine Gedanken und nicht bezogen auf diese Abfüllung betrachten. In der Bewertung nehme ich den Bezug zum aktuellen Tropfen vor.
"Zu billig" gegen "zu teuer"
Ein Trend ist im Whisky nicht zu übersehen: Whisky wird teurer. Gut, Inflation gibt es überall, aber im Falle von Whisky ziehen die Preise merklich und heftig an. Ich fliehe daher seit einiger
Zeit in die Unabhängigen Abfüller, denn hier gibt es spannende Tropfen zu häufig fairen Preisen.
Wie sieht der aktuelle Markt also aus? Ich habe mir mal ein paar Flaschen in einigen Shops angeschaut. Welche und wo ist dabei hier nicht so relevant. 20 Jahre alte Whiskys in Fassstärke (und
ohne Färbung) gehen bei 100€ los, können aber bis zu 400€ kosten. Bei Whiskys im Alter von 22 Jahren sieht das nicht viel anders aus. Puh, da muss man schon einiges an Geld auf den Tresen legen.
Vergleichsweise günstig in diesen Regionen ist übrigens Glenfarclas, da kommen wirklich viele alte Whiskys zu einem guten Preis raus. Mir ist allerdings die "Schwefelgefahr" zu hoch.
Und genau dieser Punkt ist eine gute Überleitung zu einer Idee, die mir so neu war, über die ich aber gerne nachdenke: Kann ein Whisky "zu billig" sein?
Glenfarclas hat aktuell z.B. einen 1995 / 2017 auf dem Markt, welcher um die 100€ kostet. Für vergleichbare BenRiachs oder Highland Parks (G&M, nicht original!) sind teilweise über 100€ mehr fällig. Haut Glenfarclas hier ein schlechtes, aber altes Fass zum günstigen Preis raus um dennoch Gewinn zu machen? Quasi aus Mist doch noch Gold machen?
Ich finde diese Unterstellung gewagt, denn die Kalkulation ist - zumindest für mich - nicht ersichtlich. Vielleicht kann Glenfarclas alte Fässer günstiger verkaufen, da das Fasslager dies hergibt. Vielleicht auch, weil sie nicht so stark auf die Jahresbilanz schauen müssen wie ein LVMH, welches an der Börse ist. Die Gründe können vielfältig sein und müssen nichts mit der Qualität des Whiskys zu tun haben. Glen Scotia hat gerade erst den 2008 / 2018 Ruby Port rausgebracht. Eine Festivalabfüllung mit speziellem Fass und Fasstärke. Preis? Knapp unter 50€. Muss das eine furchtbare Suppe sein? Nö, alle nennen es im Moment eine Preis-Leistungs-Kracher.
Was hat das jetzt mit dem heutigen Whisky zu tun? Dieser 22 Jahre alte Ben Nevis kam für "nur" 109,90€ auf den Markt. Muss ja ein grausames Zeug sein, oder?
Ben Nevis 1995 / 2018 whic - Verkostungsnotizen
Über den Whisky: Hier habe ich ja schon alles gesagt. Ein Einzelfass von Ben Nevis, welches als "Sherry Butt" deklariert ist. Abgefüllt wurde in Fassstärke, ohne Kühlfilterung, mit 52,9%. 472 Flaschen sind auf den Markt gekommen.
Aroma: Kräftig steigt der Malt aus dem Glas. Richtig voluminös, voll, schwer. Leicht prickelnd in der Nase, der Alkohol verfliegt aber schnell.
Toffee und dunkle Schokolade liegen zuerst in meinem Mund. Eingelegte Kirsch - Schwarzwälderkirschtorte, das ist es! Etwas herbere Noten und Eiche kommen dazu. Komplex, spannend und macht Lust
auf mehr!
Geschmack: Direkt mundausfüllend. Anfangs eine leichte Säure (kaum eine Sekunde), dann kommt die volle Sherryfracht mit Beeren aller Art: Johannisbeere, Brombeeren, auch
Erdbeeren. Etwas Kirsche. Dazu kommt das Holz hervor. Ich habe mir "alte Tiefe" notiert. Dieser Geschmack, der nur mit dem Alter kommt: Gesetzt, durchdringend, ruhig. Zum Ende hin wirkt er fast
schon kohlig - was positiv gemeint ist.
Abgang: Hier kommt wieder etwas Säure hervor, nicht zu stark, aber ein wenig prickelnd Ganz dunkle Schokolade, bitterer Kakao, Bitterschokolade. Tief, würzig und eichig. Bleibt lange im Mund.
Abschließende Gedanken: Ok, wozu habe ich die Einleitung zu den Notizen geschrieben? Alleine die Idee, dass der Preis von 110€ über eine schwache Fassauswahl erzielt wurde ist lächerlich! Dieser Ben Nevis ist wirklich großes Kino! Ein alter, schwerer und ausgewogener Sherrymalt. Keine junge "Sherrybombe", die nur Sherryaromen kennt, sondern ein toller Vertreter von Sherrylagerung mit eigenständigem Charakter. Ich bin froh, diesen Whisky gekauft zu haben.
Abschließende Bewertung: 7/7
Kategorie: Scotch Single Malt
Destille: Ben Nevis
Region: Highlands
Preis: 101-200€ (109,90€ im Angebot)
52,9%
Kältefiltration: Nein
mit Farbstoff: Nein
Fasstyp: Sherry Butt
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