Ja, es sind aktuell ziemlich seltsame Zeiten. Vor meinem Fenster scheint die Sonne und doch ist eigentlich niemand draußen. Nur einzelne Personen oder Zweiergruppen sind zu sehen, ein paar Menschen mit ihren Hunden. Aber sonst liegt eine komische Stille über der Straße.
Heute geht es um einen Whisky, der mir sehr gut, vielleicht sogar überraschend gut gefallen hat. Und doch wirkt es auf mich etwas seltsam aktuell über Whisky zu sprechen oder zu schreiben. Aber ich mache es natürlich dennoch, denn es ist Sonntag und da gibt es eine Besprechung. Punkt. So, und jetzt geht es um Mortlach!
Elefanten in Räumen
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dass ich die Corona-Krise auf Malte talks Malts nicht wirklich anspreche. Immerhin ist dies ein Blog, der sich dem Whisky verschrieben hat und damit unpolitisch und dem eigentlichen Thema verbunden bleiben will. Aber, während ich über die heutige Besprechung nachgedacht habe, ist mir auch klar geworden, dass dieser Blog eben auch etwas abseits des Whiskys dokumentiert: Das Leben. Mein Leben, um genauer zu sein. Nicht absichtlich, nicht als großer Blog der Lebensweisheit, aber im Vorbeigehen geschieht das eben doch. Ihr erfahrt, wo ich im Urlaub war. Ihr seht auf den Bildern teilweise, was ich am Wochenende gemacht habe. Ihr seid mit dabei, wenn ich auf ein Tasting gehe. Und in so manchem Video merkt man vielleicht, wenn der Drehtag anstrengend oder im Vorfeld besonders schön war. Das lässt sich nicht vermeiden und es soll auch nicht vermieden werden.
Nun stehen wir also alle vor eine ziemlichen Herausforderung und ich habe mit mir ringen müssen, ob ich dazu etwas schreibe. Aber der Elefant steht nun mal im Raum. Um es kurz zu machen: Mir geht es gut. Ich habe (bisher) keine Erkrankung im Familien- oder Freundeskreis zu verzeichnen, alle halten sich an die gebotenen Grundregeln, und, als Angestellter des Landes, ist mein Gehalt und meine Anstellung ziemlich gut abgesichert. Kinder haben wir auch keine, was aktuell vielleicht ein Grund für Erleichterung ist.
Aber ich sehe, was um mich herum in der Whiskywelt geschieht. Viele Experten da draußen sagen, dass wir eher am Anfang, denn am Ende dieser Pandemie stehen und ich vertraue dem Urteil von Experten. Ich sehe aber auch, dass viele Bekannte und Freude bereits jetzt riesige Probleme haben. Wenn man davon lebt, dass man Tastings macht, Firmen auf Messen repräsentiert, Leute die eigene Bar besuchen, o.ä., dann wird es aktuell echt eng. Das Einkommen kann da wirklich rabiat gegen null gehen und das hält niemand lange durch.
Ich habe schon auf Facebook darüber geschrieben, allerdings auf meinem privaten Account, und ich schreibe es ähnlich hier erneut:
Wenn Ihr gut durch diese Krise kommt, einen festen Job habt, das Geld reinkommt und Ihr eigentlich nur abwarten müsst, bis sich die Lage entspannt, dann denkt doch darüber nach, wo Ihr unterstützen könnt. Den nächsten Whisky müsst Ihr nicht bei Amazon oder drankdozijn bestellen - die werden das schon überleben. Vielleicht gehen die Umsätze aktuell sogar hoch... Schaut doch mal lieber, ob Euer Weinhändler, der auch ein kleines Whiskysortiment hat, oder Euer gut aufgestellter Local Dealer nicht auch liefert, oder für einen kurzen Besuch offen hat. Wenn Ihr sonst auf Tastings geht: Vielleicht gibt es eine Online-Alternative oder einfach einen Gutschein, den Ihr später einlöst. So kommt für die Ausführenden auch ein wenig Geld rein. Es geht aktuell um nicht weniger, als dass wir auch nach Corona noch eine aktive Whiskyszene haben.
Nach der schweren Kost gibt es jetzt einen Whisky. Bleibt gesund, bleibt zu Hause und bleibt solidarisch.
Mortlach 2009 / 2017 Douglas Laing - Verkostungsnotizen
Über den Whisky: Dieser Mortlach lag von März 2009 bis Juni 2017 in einem einzelnen Fass. Abgefüllt wurde er nach acht Jahren in einem Refill Hogshead von Douglas Laing in der Provenance Serie, die sich auf verschiedene Whiskyregionen konzentriert. Er wurde nicht gefärbt, nicht kühl gefiltert und kam mit 46% Alkohol in die Flasche.
Aroma: Zunächst fällt die Jugend des Whiskys auf. Er ist frisch, etwas spritzig und noch etwas wild. Aber das ist insgesamt gar nicht als schlecht anzusehen. Dann kommt sehr viel Melone, vor allem die klassische Honigmelone nehme ich wahr. Das Aroma entwickelt sich weiter in Richtung gelber Grütze mit Vanille. Ein ganz bisschen Eiche kommt zum Vorschein.
Geschmack: Der Antritt ist erneut frisch und erstaunlich leicht für einen Mortlach. Die Brennerei hat immerhin den Ruf das "Beast of Dufftown" zu sein. Im Geschmack setzt sich das Bild aus der Nase fort: Ich finde direkt wieder die Melone, die gelbe Grütze, etwas eingelegten Pfirsich und viel Vanille. Die Würze des Fasses ist auch hier deutlich zurückhaltend und gibt nur eine ganz leichte Würze und Ingwernoten ab.
Abgang: Der Abgang fällt mal wieder in die Kategorie "mittellang". Eine prickelnde Würze setzt ein, wärmend gleitet der Dram hinunter. Holz und etwas Getreide kommen hinzu. Aber insgesamt dennoch erstaunlich mild.
Abschließende Gedanken: Ein spannender, da anderer Mortlach. Von der "fleischigen" Kraft, die der Brennerei nachgesagt wird, habe ich hier nichts. Keine Brühwürfel, wenig Würze. Dafür viel Melone und helle Frucht. Ein toller Dram für den einsetzenden Frühling.
Malt Moment: Ein Biest im Käfig. Fütterung? Melone!
Zusammenfassung:
Kategorie: Single Malt Scotch Whisky
Destille: Mortlach
Region: Speyside
Preis: 20€ (0,2l)
46%
Kältefiltration: nein
mit Farbstoff: nein
Gelagert in: Refill Hogshead
Mehr Informationen:
Mortlach auf Malte talks Malts
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